+ Kalkulierte Transgression + Genrevermischung + weißes Begehren + das ICH ist eine Grenze + Segregating Soul+ queere Punk-Utopien + Musical Cyborgs + transmediale Festivals + Codes + Cindy&Bert + Multimodale Forschung + between research and the field +++
Auf den Call zur 2. Tagung von IASPM-D-A-CH haben über 50 Forscher_innen reagiert, denn Momente der Überschreitung scheinen offenbar unabhängig von spezifischen kulturellen und historischen Kontexten ein charakteristisches Merkmal populärer Musiker, ihrer Praktiken, Medien und Theorien. Die im Teaser genannten Stichworte geben einen ersten Eindruck davon, welche Fragen im Rahmen des Kongresses diskutiert werden. Welche Formen der Überschreitung haben populäre Musiken in der Vergangenheit zu dynamischen Feldern kultureller Praxis gemacht? Welche sozialen, kulturellen, moralischen oder ästhetischen Grenzen werden von wem und in welche Richtung überschritten? Welche Interaktionen zwischen populärer Musik, Kunst und Medienkulturen werden praktiziert und wie artikulieren sich diese als Überschreitungen? Gibt es überhaupt noch Grenzen, die überschritten werden können? Inwiefern fordern Popular Music Studies zu stetiger Selbstreflexion auf, weil jegliches (akademische) Sprechen über Musik ein unvermeidbares Moment der Überschreitung darstellt?
Der biennale Kongress diskutiert die Themen Gesellschaftliche und politische Überschneidungen und Populäre Musik (Panel I), Überschreitungen in und zwischen Kunst, Medien und Populärer Musik (Panel II), Überschreitungen bei der Erforschung Populärer Musik (Panel III)
Darüber hinaus ... versucht der Kongress die Überschreitung akademischer Kommunikationsformen auch in der formalen Struktur des Kongresses herzustellen und vor Ort die Vernetzung zwischen Wissenschaft, Kunst und Alltag erlebbar zu machen: in der Kooperation mit dem „elevate-Festival, dem Künstlerhaus, der Halle für Kunst&Medien und dem Stockwerk Jazz.
Bevor der Kongress am 21. Oktober mittags offiziell eröffnet wird, erhalten alle Teilnehmer_innen in der IASPM-A-Media-Lounge im Künstlerhaus einen Einblick in Überschreitungen aus Sicht Österreichischer Szenen und Forschungen (Panel 0). Dort können während der gesamten Konferenz auch die acht multimedialen Posterpräsentationen zum Themenkomplex des Kongresses zur Kenntnis genommen und diskutiert werden.
Die Keynote Lecture hält Jochen Bonz, der für diesen Vortrag in Anlehnung an den Ethnologen und Psychoanalytiker Georges Devereux den Titel „‘Das Ich hat keine Grenze, es ist eine Grenze.‘ Überlegungen zur Überschreitung als Untersuchungsgegenstand und Methodik der Popular Music Studies“ gewählt hat.
Einführung von Werner Jauk
Nach Jazz- gilt Pop-Kultur als eine der Überschreitungen, als Gegenkultur, Alternativkultur, parallele plurale Kulturen zunehmend informalisierend und individualisierend – in hohem Maße getragen von musizierenden Formen als hedonische Körperkulturen (massen-)medial gebunden und zunehmend „global“. Diese Überschreitungen sind assoziiert mit gesellschaftlichen /politischen Dynamiken und mit der Entgrenzung modaler /medialer Künste zu multisensorischen Events. Popkulturelle Lebensformen rekurrieren einerseits auf volkskulturelle Formen zugleich bilden sie sich in neoliberalen Gesellschaften in Interaktion mit deren wirtschaftsgebundenen Machtsystemen und ihren medialen Distributoren aus, auch als „hassliebend" symbiotische Alternativ-Netzwerke – Popkulturen leben als Randkulturen und Mainstream (der Minderheiten): vergesellschaftend sozialisierende wie Ich-findende Lebensformen.
Seit ihren Erforschungen „von außen“ ideologisch polarisiert gewertet, lebt Pop-Forschung zunehmend getragen von einer mit den elektronischen Massenmedien und den mit diesen „entstandenen“ Pop-Formen sozialisierten „Jugend“, die DIY auch als Forschung im Felde in die akademischen Institutionen trug: Be-ob-achtung von "Beziehungen" zu und zwischen diesen Feldern sowie der wechselseitigen Konstruktionen von Wirklichkeiten prägen die Methodik der Pop-Forschung. Der biennale Kongress thematisiert heuer diese drei Themenbereiche kultureller Überschreitungen im Zusammenhang mit Populären Kulturen und ihren Forschungen stets mit dem Fokus auf ihre Musiken als zentrale und dominante multisensorische /multimodale /multimediale Pop-Er/Lebensformen.
Ausgehend vom dem 1959 als selbstorganisiertes intermediales und die Kunstsparten um ein Wissenschaftsreferat in Kooperation mit der KFUG erweitertes „Forum Stadtpark“ werden die dort damals gefestigten Überschreitungen heute in Kooperation mit dem „elevate-festival“ im „Forum Stadtpark“ wie in den daraus hervorgegangenen Institutionen innerhalb wie außerhalb des akademischen Bereiches im Wissenschafts- wie Kunstbetrieb und im medialen public space gelebt. Die im ReSoWi-Gebäude stattfindenden Vorträge werden ins Netz und die Halle für Kunst & Medien gestreamt – das Foyer des Künstlerhauses dient als Schnittstelle zwischen den (Medien-)Künsten und dem public space. Im vielfachen Verständnis als „Inter-Media-Pop-Lounge“ inszeniert werden dort multimediale Präsentationen des österreichischen Pop-Lebens und seiner Forschungen gesammelt am 21. Oktober vorgestellt und multimediale Poster „geposted". Neben Beteiligungen an diversen panels des „elevate-festivals“, finden informelle Diskussionen im „Stockwerk“ statt, wo Jazz, in Graz bereits 1969 und modellhaft für Europa in Praxis und Theorie „akademisch“ gelehrt und geforscht, seine erweiterten Lebensformen in der medialen Pop-Kultur lebt – hier „schließt“ sich jener lokale Bezug den Pop-Kultur möglicherweise spezifisch für Graz hat: frühe Überschreitung hin zu intermedialen Lebensformen im öffentlichen Raum wie im electronic space der „sixties“ finden sich heute im institutionalisierten und informellen Bereich zwischen Kunst und Wissenschaft ebenso wie im medialen Alltag.