Als das Grazer Künstlerhaus 1952 eröffnet wurde hatte es bereits viele Jahrzehnte an Projektarbeit hinter sich. Stadthistorisch ist dabei auch die urbanistische Rolle, die das Gebäude spielen sollte, interessant. Neben dem gegenwärtigen Standort waren auch andere Areale, etwa im Bereich des heutigen Opernhauses (ehemals Stadttheater), in der Diskussion. Entsprechend der detaillierten Planungen von 1916 hätte in diesem Bereich ein komplexes Kulturareal mit hoher städtebaulicher Relevanz entstehen sollen. Allerdings führten diverse Verzögerungen letztendlich dazu, dass – mitten im I. Weltkrieg – die hierfür vorgesehenen Mittel als Kriegsanleihe verloren gingen und es noch Jahrzehnte dauern sollte, bis die Stadt zu einem Künstlerhaus kam. Josef Ploder, außerordentlicher Universitätsprofessor i.R. am Institut für Kunstgeschichte der Universität Graz, geht in seinem Vortrag der Architekturgeschichte des Hauses sowie seinen Vorprojekten und den städtebaulichen Problematiken nach.
Der steirische herbst 2019 setzt sich unter der Überschrift „Grand Hotel Abyss“ und dessen Bezug auf den ungarischen Philosophen, marxistischen Interpreten und politischen Aktivisten Georg Lukács mit dem Verhältnis der Intellektuellen – und ihrer Ratlosigkeit – angesichts der erkennbar ansteigenden Gefahren des Faschismus in der Zeit knapp vor dem Zweiten Weltkrieg auseinander. Darüber hinaus befasst sich das Künstlerhaus, welches 1951/52 während der de facto auslaufenden britischen „Besatzung“ und ihrer die Demokratie, den Wiederaufbau und die Fassung einer österreichischen Identität stärkenden bzw. ermöglichenden Administration im Auftrag des Landes Steiermark als erster Kulturbau Österreichs nach dem Zweiten Weltkrieg erbaut wurde, in inhaltlicher Anlehnung an die ausstellenden Künstler_innen Jasmina Cibic, Jeremy Deller und Ian Hamilton Finlay mit seiner eigenen Entstehungs- und Architekturgeschichte sowie Ausstellungshistorie und dehnt somit den historischen Rahmen bis in die Nachkriegszeit. Zu diesem Zweck sind Persönlichkeiten aus verschiedenen Disziplinen im Rahmenprogramm der Institution dazu eingeladen, die Gründung und Entwicklung des Grazer Künstlerhauses bis hin zu einer aktuellen Form einer Halle für Kunst & Medien aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten.
Ao.Univ.-Prof.i.R. Dr.phil. Josef Ploder (*1952 Perberdorf, lebt in Graz) studierte Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte an der Karl-Franzens-Universität Graz, wo er ab 1983 am Institut für Kunstgeschichte auch selbst tätig war. Seine Habilitation folgte 1996 zum Thema „Heinrich von Geymüller und die Architekturzeichnung. Werk, Wirkung und Nachlaß eines Renaissanceforschers“. Die Schwerpunkte seiner Lehre und Forschung liegen in der Architekturgeschichte, Architektur und ihre mediale Repräsentanz sowie Fotografie und Film. Sein Artikel „Architektur, die (nicht) gebaut wurde. Entwürfe für ein Grazer Künstlerhaus und die historischen Dimensionen eines städtebaulichen Problems“ erschien 1998 im Historischen Jahrbuch der Stadt Graz, Band 27/28.