Michał Murawskis Vortrag handelt von Schenkungen im Bereich der Architektur und deren Ästhetik, Politik und Ökonomie. In der klassischen anthropologischen Theorie gilt das Geschenk als archaisches Gegenstück zur modernen Ware. Dennoch kann der Austausch von Geschenken auch in modernen Gesellschaften eine wichtige Rolle spielen. Nirgendwo wird das so deutlich wie in der Architektur: Monumentale Ensembles, Wohnbauten und Infrastrukturprojekte wurden im 20. Jahrhundert immer wieder als Geschenke an neue Besitzer_innen überantwortet – ob von einem dominanteren Land an das unterlegenere oder von Eliten an die Bevölkerung. Letzteres Szenario war besonders in den sozialistischen Ländern der Fall, aber nicht ausschließlich dort. In früheren Feudalgesellschaften wie auch im Wohlfahrtsstaat spiel(t)en architektonische Schenkungen eine wichtige Rolle. Aber auch im heutigen Spätkapitalismus sind sie Ausdruck oligarchischen Gönnertums. Die Geschenke selbst jedenfalls sind untrennbar mit verschiedenen Formen von Gewalt und Hierarchie verbunden; Gleichzeitig manifestiert sich in ihnen aber auch eine Art „öffentliches Bewusstsein“. Murawskis Vortrag spannt einen zeitlichen und geografischen Bogen vom Warschau der 1950er-Jahre über New York bis ins heutige Moskau und analysiert dabei die Bedeutung der architektonischen Schenkung anhand unterschiedlicher gesellschaftlicher Kontexte.
Michał Murawski (1984* Warschau, lebt in London) befasst sich als Anthropologe mit Architektur und urbanem Leben. Schwerpunkt seiner Forschung ist das gesellschaftliche Eigenleben von Monumentalbauten und der kraftvolle wie auch subversive Einfluss, den Gebäude aus der Ära des Kommunismus immer noch ausüben.