Mit der Eröffnung eines temporären Pop Up Stores in Graz nähern sich die Künstlerin Sissa Micheli (geboren 1975 in Bruneck) und der Mutlilabel Store S/GHT aus Wien (www.sight.at) den Schnittstellen von Kunst und Mode.

SISSA MICHELI – OBJECTIVE CORRELATIVE

"Im Kontext des Sozialen bildet die Zusammenstellung verschiedener Personen und Identitäten ein Ensemble – mithin eine Form von Gemeinsamkeit im Horizont der Differenz. Im Kontext der Kunst steht für die Verknüpfung verschiedener Objekte zu einer gemeinsamen Konfiguration der Begriff der Assemblage – mithin eine Form von Beziehungen mit Blick auf die Heterogenität, ein Ensemble von Objekten, die ob ihrer Differenz, die sie verbindet, eine Konstellation aus Relationen ergibt, wenn man so will: eine Figur des Heterogenen. Sissa Micheli verknüpft ihre Assemblagen mit dem Begriff 'objecitve correlative', der mit T. S. Eliot und literarischen Kombinationen von Handlungen, Objekten und Bilder verbunden wird, und weist damit auf die narrativen Fährten hin, die sich aus den Ensembles entwickeln: Sei es ein Stativ, ein Schuh, ein Helikopter – ein Ensemble aus Stehen, Tragen, Gehen und Fliegen, nur die Spur einer Parabel für ein kondensiertes Leben, ein Gefüge, das die Gegenständlichkeit abstrahiert, verdinglicht zur Poesie, zu einer Form skulpturaler Literatur, einer Belletristik des Materials. Für das Ensemble von Kunst und Mode im S/GHT POP UP-Projekt im Grazer Künstlerhaus eingeladen, hat Sissa Micheli vorgeschlagen, den Gedanken weiter zu tragen: eine Form zu finden, die es erlaubt, die Relationen zwischen heterogenen Gegenständen und Materialien, zwischen Genres und Disziplinen, zwischen Kunst und Mode neu zu knüpfen. Im Kontext ihrer Arbeiten wird sie das Display gestalten, das die verschiedenen Mode-Labels von S/GHT aufnehmen wird, um ein Ensemble von Kleidung, Kunst und Bild im Raum zu konfigurieren. Das zentrale Motiv dafür bilden Bilderrahmen, die entgegen ihrer üblichen Handhabung um 90 Grad gedreht an die Wand geschraubt werden und in den Raum ragen, um dadurch die notwendige Struktur für das Hängen der Kleider zu bieten: Gegenstände, die ihrer Funktion entkleidet werden um eine neue Funktion aufzunehmen, in der Sprache des Textilen: eine Geste des Entbindens und Verknüpfens zugleich. Und doch bleiben die Bilderrahmen als Bildrahmen lesbar, als Rahmen für das Bild einer Leerstelle, ein imaginäres Bild, das in seiner räumlichen Disposition den Raum in sich aufnehmen kann, sich einschreibt als Raumgefüge, als Ensemble von Relationen und Korrelationen, von 'objective correlatives'. Die Bilderrahmen bilden die Trägerfiguren für die Hängevorrichtungen genauso wie für die Umkleide und einen Tisch, für eine Frage des Rahmens, die selbst exponiert wird. Was vom Rahmen bleibt, ist eine Ankündigung, eine Konfiguration, die ein Bild verspricht. Die Kleidungsstücke erscheinen vor diesem Hintergrund selbst als Rahmen, die darauf warten wen auch immer ins Bild zu nehmen, den Rahmen abzugeben für eine imaginäre Identität. Wie die Rahmen warten die Kleider auf ihre Bildträger, auf den Augenblick, die Geste, mit der das Bild vom imaginären Ich erscheint. Die Titel der 'objective correlatives' von Sissa Micheli insistieren auf das Begehren, einer Vorstellung zu entsprechen, ein Bild zu sein: I want to be a dreamhouse, I want to be a helicopter, I want to be a patriot… wie ein Name, ein Eigenname, ein Label, das niemandem gehört und doch das Bild einer Identität verspricht: I want to be Nanushka, I want to be MESHIT, I want to be Base Range…Sissa & S/GHT."

Text: Andreas Spiegl