Für die umfangreiche Ausstellung „DIDING – Ein Innen, das ein Außen bleibt?" vereint das Künstlerhaus, Halle für Kunst & Medien 18 wesentliche internationale KünstlerInnen, von denen viele erstmals in Österreich ausgestellt werden.
Vor dem Hintergrund unterschiedlicher Grade digitaler Beschleunigungen in heutigen Lebenswelten und zusehends spürbaren, latent anwachsenden politischen und ökonomischen Spannungen, die dabei auf die „Dinge“ (und Menschen) übergreifen, versucht sich die Ausstellung an einem aktuellen Stimmungsbild. Das digitale Material ist von einer diskreten Bruchstelle in den 1990er-Jahren längst zu einem evidenten Zustand fortgeschritten und greift nicht nur in gegenwärtige Bildwelten, sondern in die uns umgebende Materialität der „Dinge" an sich ein. Obwohl den gezeigten Arbeiten als Gemeinsames ein Interesse an dem Digitalen attestiert werden kann, sind sie gerade nicht daran interessiert, Digitalität im Sinne eines vermeintlichen Fortschritts als Medientransfer vom Analogen zum Digitalen oder Technologien in Bezug auf eine Neuordnung der Bilder und deren Repräsentation abzubilden. Das Interesse der hier vereinten Positionen geht über die Darstellung einer reinen Digitalität hinaus. Die Ausstellung beleuchtet vielmehr unterschiedliche Strukturmerkmale des Digitalen und dessen Wechselwirkung auf die „Dinge". Wie manifestiert sich deren Körperlichkeit, Zeitlichkeit und Semantik? In einer sich schnell verändernden Welt werden Objekte und ihre Referenten nach ihrem Wirklichkeitsbezug neu befragt.
Die in der Ausstellung versammelten Positionen artikulieren als Gemeinsames die Verhältnisse zwischen digital und analog sowie zwischen Objekt und Subjekt in Relation zu Körper und Material. Die hier wesentliche Komponente der Zeitlichkeit wird als ein Zustand verstanden, der ein Dazwischen-Sein charakterisiert: Die Ausstellung geht von dieser Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen in der Produktion wie Repräsentation ihrer „Dinge“ aus. Das DI-gitale DING wird zum zirkulierenden und schwer fassbaren Objekt. Die Kunsthistorikerin Kerstin Stakemaier spricht von einem neuen Subjet-Objekt-Verhältnis, bei dem die Objekte „zum Symptom einer ‚disconnectedness’ des Körpers in der gegenwärtigen kapitalistischen Krise werden.“ In der Ausstellung „DIDING – Ein Innen, das ein Außen bleibt?" versammelt Kurator Sandro Droschl Werke, die im Besonderen auf diesen prekären Zustand und den damit verbunden zunehmend unter Druck stehenden Objektbegriff anspielen.
Die Körperlichkeit des Digitalen zeigt sich an den Kunstwerken als besonders formbar und spielt mit den Dimensionen, wobei Elemente des Prekären, Fluiden, Transparenten und der „Flatness“ wiederkehrend sind. Josh Kolbos in den Raum ausgreifendes Objekt zeigt die Modulation visueller Informationen, collagiert, abstrahiert und letztlich in einem von 2D in eine 3D-Halterung gesetzten Prozess manifestiert. Das Dreidimensionale bleibt dabei eben so flach wie die computer-programmierten Bildwelten in den Videos von Jon Rafman. Die Orte, die Rafman zeigt, Sitzungsräume, Eingangshallen, das Darknet, Virtuelles und Reales und deren Protagonisten verweisen auf die Verschmelzung der Körper, wobei sich das digitale Material auf unterschiedliche Art und Weise in die Körperlichkeit einschreibt. Als oszillierendes Gefäß einer manifest werdenden physikalischen Ökonomie und ihren vibrierenden, erschöpften Körpern offenbaren sich die ausgestellten Objekte entgegen dystopischer Techno-/Science-Fiction-Visionen nicht als Antagonist zur menschlichen Natur. Vielmehr zeigen sich die Spuren des Digitalen in unseren Körpern und in den von uns entworfenen und benutzten „Dingen".
Alisa Baremboyms amorphe Skulpturen integrieren Vinyl, Latexschläuche, Polyester-Folie und Schnallen-Gurt-Systeme als Materialien des alltäglichen Gebrauchs. Der chemisch unsichere und zerbrechliche Zustand der Moleküle ist für diese im Labor entwickelten Materialien bezeichnend. Auch Sean Raspet bedient sich amorphen Stoffen aus der Umwelt, die von der Modulation flüssig in hart gekennzeichnet sind: Stahl, Plexiglas, Haargel. Scheinen diese Stoffe zunächst trivial, kennzeichnen sie in ihrer Anordnung ein tiefgreifendes Verhältnis zwischen dem Objekt und dem Subjekt, wobei das Inhumane auch hier nicht jenseits des Körpers ansetzt, sondern diesen in Form von chemischen Mitteln (als Nahrungsmittel, als Kleidungsstück, als Werkstoff oder Kosmetikprodukt) (de-)formiert.
Ein Innen, das ein Außen bleibt? Dass sich inzwischen die Unterscheidungen zwischen analoger und digitaler Welt längst verdinglicht haben, zeigt sich im Künstlerhaus, Halle für Kunst & Medien im Speziellen in der ästhetischen Komponente und Herangehensweise der künstlerischen Beiträge.
Kuratiert von Sandro Droschl