Gerlind Zeilner interessiert sich für die Spannungen und Ambivalenzen innerhalb der Malerei hin zu tendenziell klischeehaften, von einer männlich dominierten Kunstgeschichte geprägten Bildideen. In ihrer strukturell signifikanten und darin fragilen, gebrochenen Virtuosität arbeitet Zeilner an figurativ-abstrakten Bildräumen voller kritischer wie farbenprächtiger Andeutungen über das Dasein als Malerin unter Malern – wie von Frauen unter Männern. In geselligen Szenen des Zusammenseins und des gemeinsamen Erlebens von fiktiven Western- und realen Künstler-Bars werden tendenziell heldenhafte und überzogene männliche Gesten mittels eines speziellen Farb- und Formgefüges kritisch bis humorvoll hinterfragt und erfrischend neu gesetzt, beispielsweise in Auseinandersetzung um Bar-Bilder bei Nicole Eisenman, Jörg Immendorff oder Henri de Toulouse-Lautrec.
In neueren Arbeiten wendet sich Zeilner zunehmend Fragestellungen der Malerei und ihrem Verhältnis zur Zeichnung zu, deren Skizzen ähnlich Entwürfen oftmals der Malerei vorausgehen, daneben aber auch für einen eigenständigen und darin wesentlichen, umfangreichen Teil ihres Œuvres stehen. Dabei spielt immer auch die Auseinandersetzung mit der Malereigeschichte, deren Techniken und Lesarten eine Rolle, worauf sie eine sehr persönliche, spezifische Antwort gibt. Diese Reflexion dehnt sie auf ihre eigene künstlerische Position aus und führt sie darin zur Auseinandersetzung mit ihrem näheren Umfeld, sei es in „Atelierbildern“ an ihrem unmittelbaren Arbeitsplatz oder beim Flanieren gewonnene und später verarbeitete Eindrücke von urbanen Szenerien und Architekturen bis hin zu „Innenbildern“, einer zwischen realen, phantastischen wie psychischen Elementen schwankenden Wahrnehmung.
Dabei spielt Zeilner gekonnt mit einer Art von Vorläufigkeit und Unabgeschlossenheit, wofür der New Yorker Autor Raphael Rubinstein den treffenden Begriff „Provisional Painting“ vorschlägt. Diese erstaunlich opulent und feinfühlig vorgetragenen Experimente und Brüche scheinen mit der Skizzenhaftigkeit und dem unbändigen Potential der Zeichnung zusammenzuhängen, die ihrer Malerei oftmals vorausgeht und deren Produktion wesentlich beeinflusst. Das Ergebnis ihrer aktuellen Produktion sind selbstbewusst und eigenständig entwickelte Bilder, die der Fragilität der Malerei Leuchtkraft in komplexen Zeiten geben.
Im Verlag für moderne Kunst erscheint ein umfangreicher zweisprachiger Katalog im grafischen Design von Thomas Kussin, mit zahlreichen Abbildungen aktueller Malerei und Zeichnung sowie weiterführenden Texten von Jurriaan Benschop, Sandro Droschl, Denise Milstein und Thomas Raab.
Gerlind Zeilner (*1971 Mödling, lebt in Wien) hat „Malerei und Graphik“ bei Gunter Damisch an der Akademie der bildenden Künste in Wien studiert und übernahm 2017 dort die Leitung des Aktzeichnens. Neben zahlreichen Ausstellungen ist Zeilner mit dem Würdigungspreis des Bundesministeriums für Forschung und Kunst (1998), dem Georg Eisler Preis (2005) und dem Anton-Faistauer-Preis (2008) ausgezeichnet worden. Diese bislang umfangreichste Einzelpräsentation findet ihre Fortsetzung im Dezember 2020 bei Kunst im Traklhaus (Salzburg).