Für den diesjährigen Ausstellungsreigen Eigene Geschichte(n) der steirischen Künstlervereinigungen Steiermärkischer Kunstverein Werkbund, Künstlerbund Graz und der Vereinigung Bildender Künstler Steiermarks diente diesmal kein Buch als Ausgangspunkt der Konzeption und inhaltlichen künstlerischen Auseinandersetzungen, sondern, aufgrund zweier großer diesjährigen Jubiläen der beteiligten Künstlervereinigungen – 150 Jahre Steiermärkischer Kunstverein Werkbund und 90 Jahre Künstlerbund Graz –, stellen wir uns diesmal gemeinsam der Herausforderung, diese feierlichen Anlässe in das Ausstellungsformat thematisch zu integrieren. Die dabei entstehenden drei Ausstellungen sollen nicht nur Errungenschaften und die zahllosen Geschichten sondern auch die Vereinigungsstrukturen und ihre Ziele auf Höhe der Gegenwart mitreflektieren. Dabei wählten die einzelnen Vereinigungen in der Vorbereitung des Ausstellungsprojektes eine oder mehrere Arbeiten aus ihrem langjährigen kunsthistorischen Bestand aus, bzw. einigten sich wie im Falle des Künstlerbund Graz auf eine exemplarische repräsentative künstlerische Position, weil sie jene für dieses Vorhaben besonders geeignet und in ihr historische Distanzen überbrückend bis heute nachhaltig künstlerische Wirkkraft vereint sehen. Diese für die Geschichte des Vereins wichtige Referenzarbeit oder Position war dann der Ausgangspunkt für die diesjährigen künstlerischen Auseinandersetzungen der einzelnen Mitglieder, um in Reaktion darauf ausschließlich neue Arbeiten zu realisieren. Dieses Vorgehen war auch aufgrund der freundlichen Kooperation der jubiläumsfreien Vereinigung Bildender Künstler Steiermarks möglich.
Der Steiermärkischer Kunstverein Werkbund geht bis an seinen Usprung zurück und widmet sich dem Vater ihres allerersten Präsidenten Franz, Graf von Meran, dem Prinzen Erzherzog Johann:
„Unsere im Grazer Künstlerhaus projektierte Gemeinschaftsausstellung 2015 steht ganz im Zeichen der Prämisse ‚Steiermärkischer Kunstverein Werkbund – 150 Jahre auf kreativer Entdeckungsreise’. Unserem Begründer, Schutzpatron und steirischen Prinzen Erzherzog Johann, diesem Visionär und Reformator folgend, der Teil jener Vergangenheit ist, aus der sich die Zukunft der Gegenwart herauslesen lässt, wollen auch wir Spuren hinterlassen. Künstlerische Spuren, deren Deutung und Anerkennung wir gerne auch künftigen Generationen überlassen wollen. Jener Generation aber, in der wir leben und die mit uns lebt, wollen wir unser Gesamtkunstwerk der Vielfalt künstlerischer Transformation zu intensiver Betrachtung hier im Grazer Künstlerhaus präsentieren.“ Curt Schnecker, Präsident Steiermärkischer Kunstverein Werkbund
Der Künstlerbund Graz wählte die Künstlerin Renate Fast und ihr Werk „EIN SCHREI" zur Schlüsselposition ihrer Jubiläumsausstellung:
„Renate Fast und ihr Werk ‚EIN SCHREI’ steht als zeitloses Monument in einer von Umwälzungen geprägten Gesellschaft, welches neben den Reflexionen über die Geschichte der Künstlervereinigung die damit verbundene künstlerische Auseinandersetzung der einzelnen Mitglieder fordert und zudem ein Statement für Toleranz im menschlichen aber auch im künstlerischen Sinne ist. In diesem Sinn sei auch zu erwähnen, dass noch zu Gründungszeiten der Vereinigung etliche Künstler_innen verfolgt und ihre Werke als entartete Kunst betitelt und zerstört wurden – von einer weiblichen Künstlerin mit Down-Syndrom ganz zu schweigen. So darf der Künstlerbund als eine der traditionsreichsten Künstlervereinigungen der Steiermark stolz auf 90 Jahre kulturelle Aktivitäten zurückblicken, und sich auch in dieser Jubiläumsausstellung als eine ambitionierte Künstlergemeinschaft darstellen, mit dem Anliegen künstlerische Qualität mit Individualität, Kreativität und Aussagekraft zu vermitteln." Michael Birnstingl, Präsident Künstlerbund Graz
Während die Vereinigung der Bildenden Künstler Steiermarks anhand der Werke ihrer prominenten Mitglieder „Weiblicher Akt auf Kanapee" (1911), von Wilhelm Thöny und „Bauernhäuser unter Bäumen, (Stainz, Neurath)“ (1915) von Alfred Zoff der spannenden Frage: „Was bleibt von Thöny und Zoff?“ nachgeht:
„Thöny war zur Zeit der Entstehung des Bildes ‚Weiblicher Akt auf Kanapee’ Mitglied der Vereinigung und hat rege an den Ausstellungen teilgenommen. Seine ausgezeichnete Technik (Münchner Schule) verlieh ihm schon damals eine wichtige Rolle im Grazer Kunstleben und erlaubte ihm später zu seinem ausgeprägten Individualstil für den er heute so bekannt ist, zu gelangen. Allerdings spaltete sich 1923 die Grazer Sezession als neuer Künstlerverein ab und Thöny war erster Präsident. Zu dieser Zeit auch wird der neue Stil Thönys sichtbar, in dem die handwerkliche Technik keine große Rolle mehr spielt. Das macht diesen Künstler für die Vereinigung Bildender Künstler Steiermarks so interessant. Alfred Zoff wiederum war seit der Gründung der Vereinigung 1899 bis zu seinem Lebensende 1927 Mitglied und 1908–1910 Präsident der Vereinigung. Er war einer der bekanntesten Künstler der Steiermark seiner Zeit und ist mit seinen hervorragenden Landschaften des Stimmungsimpressionismus einer der wichtigsten Vertreter _innen der steirischen Kunstgeschichte. Er hat im Gegensatz zu Thöny seinen Stil konstant weiterentwickelt und verfeinert. In unserer Vereinigung spielt die Landschaftsmalerei eine sehr große Rolle und auch hier können wir auf einen großen Künstler zurückblicken.“ Gottfried Pengg-Auheim, Präsident Vereinigung der Bildenden Künstler Steiermarks
Über die Ausstellungen verteilt entstehen wieder bewährt Zeichnungen, Leinwandbilder, Skulpturen, installative Raumelemente und mit der dafür ausgewählten Schlüsselarbeit korrespondierende Notizen etc., die Reflexionen über die Geschichte der Künstlervereinigung, ihre mögliche Zukunft und künstlerische Kommentare zu ihrem Auftrag in der heutigen Gesellschaft ermöglichen. In diesem freien wie produktiven Sinn war einmal mehr nicht die kuratorische Auswahl von Einzelpositionen für die Jahresausstellung der Schwerpunkt der Vorbereitung, sondern vielmehr lag das Hauptaugenmerk auf den Begegnungen und internen Diskussionen der Künstlervereinigung im Rahmen der Vorbereitungen der Ausstellungsreihe. Die intensive Auseinandersetzung mit der/n Geschichte(n) der Künstlervereinigungen, die Ideenfindung, der gemeinschaftliche Arbeits- und Produktionsprozess flossen in den Ausstellungszusammenhang ein und bringen nun die Spezifik der jeweiligen Künstlervereinigungen anhand dieser neu entstandenen Arbeiten in den drei aufeinander folgenden Ausstellungen einem möglichst großen Publikum nahe.