Die Reihe „The only performances that make it all the way ...“ versammelt aktuelle wie historische Positionen aus dem Bereich der Performance-Kunst. Performativität, eine mittlerweile breit diskutierte künstlerische Praxis der Überschreitung von Grenzen, zielt nie vordergründig auf das Entstehen eines bleibenden Kunstobjekts und findet bei relativ kleinem produktionstechnischen Aufwand oft nur mit Sprache und Bewegung ihr wirkungsvolles Auslangen. Innerhalb der einmonatigen Ausstellungsdauer kommen an jedem der insgesamt vier Eröffnungsabende zwei bis drei Arbeiten hinzu, auch verbleiben die Reste der jeweiligen Performances als Objekte im Ausstellungsraum. „The only performances that make it all the way …" lässt sich somit mit einem additiven Prozess vergleichen, der sich erst mit der letzten Eröffnung am 12.09.2013 in seiner Gesamtkonzeption vervollständigt.
Die Ausstellung will die Trennbarkeit von Künstler_in und Werk hinterfragen, Performance in ihrer ephemeren Doppelwirkung als einerseits „künstlich“ aber auch „wirklich“ zeigen. Indem Performance die Arten des erfahrenden Subjekts zu sehen, wahrzunehmen und das, was es als wahr oder falsch bezeichnet, beeinflusst, kann der produktive Doppelcharakter des Performativen Erfahrungen des Wirklichen ungeschehen machen, als Produktion von Wirklichkeit.
Die einstige Befürchtung, mediale Dokumentationen des Performativen (Archive, Video, Fotografie) würden deren Authentizität verraten, bewahrheitete sich nicht.
Ob und inwieweit können sich Re-enactments historischer Performances wie etwa Guy de Cointet’s „Tell me“ (1979) von ihren historischen Quellen, Aufführungen, Ebenen unabhängig zeigen? Erlauben sie dabei auch Analogien zu aktuellen Ästhetiken und künstlerischen Auseinandersetzungen politischer Dimension herzustellen? Weitere Fragestellungen dieser Art sind in dieser Reihe ebenso wesentlich und interessanter Teilaspekt der Betrachtung und Überlegung performativer Strategien anhand von Dokumentation, Rezeption und Geschichte innerhalb der bildenden Kunst: Welcher Situationsspezifik, die der/die Performance-Künstler_in in oder mit seiner/ihrer Performance schafft, setzt er/sie sich dabei selbst und das Publikum aus? Muss die Ausführung eines Konzepts dabei an die Person des Autors oder der Autorin gebunden bleiben? Ob die stets im Performativen vermutete Binarität – Aktiv (Performer) versus Passiv (Zuschauer) – die Performance bedingt oder nicht doch an deren Überwindung arbeitet?
"Selbst wenn der Theatermacher oder der Regisseur nicht weiß, was der Zuschauer machen soll, so weiß er zumindest eines: er weiß, dass er etwas machen muss, den Abgrund überschreiten, der die Aktivität von der Passivität trennt." Jacques Rancière, Der emanzipierte Zuschauer, Passagen Verlag, Wien, 2009, S 22.
Werke radikaler Pionierinnen der (feministischen) Performance-Kunst der der 1960er- und 1970er-Jahre, wie von Barbara T. Smith, Gina Pane oder Cosey Fanni Tutti, zeigen in der Ausstellungsreihe Inhalt, Wirkung und Bedeutung der Arbeiten trotz inflationärer Definitionen des Performativen intakt. Das synergetische Fransen des Performativen in und mit unterschiedlichen Feldern etwa des Pop (Michael Clark + The Fall, Pauline Boudry / Renate Lorenz) oder des Tanzes und der Choreografie (Adam Linder) operiert mit anderen Zeitlogiken, evoziert Bedeutungsunterschiede und Verschiebungen. In ergänzend überschreitender Kombination mit den eigens im Künstlerhaus, Halle für Kunst & Medien (KM–) aufgeführten Performance-Premieren von Michele di Menna, Liz Glynn, Jakob Lena Knebl oder Thomas Kratz werden wesentliche Grundzüge dieser aktuellen Vielfalt performativer Strategien und Praxen in losen kuratorischen Setzungen erfahrbar gehalten.
Die Ausstellung „The only performances that make it all the way ...“ bringt internationale Protagonist_innen einer Auseinandersetzung mit aktualisierten Fragen des Performativen nach Graz, um hier eigene Formate in aktivierender Gegenüberstellung zu Werken historisch zentraler Vorläufer_innen vorzustellen. Dieses aufwendige Experiment entwickelt sich während der Ausstellungsdauer und wird durch eine abschließende Katalogpublikation dokumentiert und begleitet.
Kurator: Christian Egger